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Orte der Erinnerung: Nischen und Nachbilder

Anna-Maria Lebon ist fasziniert von verlassenen unbewohnten Häusern, Holzbaracken, Schuppen, Bahnwärterhäuschen, Lagerhallen. Wie Fundstücke nimmt sie die Eindrücke solcher Gebäude von ihren Spaziergängen mit und verarbeitet die gesehenen Details, die in ihr eine empfindliche Stelle berührt haben, später in ihren Werken. Die entscheidende Inspiration für die Arbeit an den Holznischen waren Totenbretter, die sogenannten Marters, auf die Lebon im Bayrischen Wald gestossen war und die als Denkmale für die Verstorbenen fungieren. Die schlichten schwarzen Bretter, die sowohl an die menschliche Gestalt als auch an die letzte menschliche Ruhestätte erinnern, nahmen in der Vorstellung der Künstlerin mythischen Gehalt an. Aus dem primären visuellen Ereignis entstanden äusserst bedrohliche Nachbilder: "Die Skulpturen existierten schon in meinem Kopf, ich musste nur den Mut finden, sie auszugraben, ich musste durch die Angst hindurch, die diese Bilder in mir verursachten."

Text: Beate Engel, Auszug aus dem Katalog zur Ausstellung in der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern, 1995