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Die Entstehung der Scheiben-Träger beginnt auf einer Frühjahrswanderung im Südtirol. In der Gegend von Laatsch, finde ich in einer Wiese in regelmässigen Abständen verkohlte Holzscheiben. Meist sind sie annähernd quadratisch, oft leicht pyramidenförmig und immer haben sie ein rundes Loch in der Mitte. Einige Holzscheiben nehme ich mit.

Während eines Jahres haben die verkohlten Scheiben in meinem Atelier gelegen, und ich habe sie in dieser Zeit oft in die Hand genommen, sie angeschaut. Ich habe mich gefragt, wie ich das Ungewöhnliche, das mich an diesen unscheinbaren Fundstücken so faszinierte, sichtbar machen könnte. Dass es sich um die Ueberreste einer Feier handelte, ahnte ich bereits, ging dieser Sache jedoch weiter nicht nach. Ich habe mich den Holzscheiben angenähert, indem ich zum Beispiel sachte die Kohle abschabte, und einige habe ich mit vertrauten Arbeitsmaterialien in Kontakt gebracht, mit dem Wachs, mit dem Gold.
Im letzten Frühling dann, nach einem sehr eindrücklichen Aufenthalt in New York, wo mich die Wassertürme auf den Dächern der Hochhäuser ungemein faszinierten, mir den unendlichen Himmels- und Luftraum so richtig bewusst machten, gelang es mir, die Träger für die Holzscheiben zu bauen. Auf den geweissten Holzträgern sind die Holzscheiben lose aufgesetzt, damit sie in ihrer ursprünglichen Funktion des Fliegens nicht behindert werden. Die ehemals glühenden und dann verkohlten Holzstücke werden auf den weissen Trägerkonstruktionen wieder auf ihre Flugbahn erhoben.
Weiss als Farbe des Lebens, der Sonne, der Wärme, des Sommers ist entlehnt von den weiss gestrichenen Badehäusern am Bodensee. Da ich diese Badehäuser jedoch mitten im Januar, in der Winterruhe gesehen habe, steht für mich die weisse Farbe ebenso für die Ruhe und Kälte des Winters.
Diesen Sommer, anlässlich einer Ausstellung, die ich im Val Müstair hatte, erzählte mir ein Besucher aus dem benachbarten Südtirol, welcher Brauch mit den gefundenen Holzscheiben verbunden ist: Jedes Jahr am Samstag nach Aschermittwoch, am sogenannten Karsamstag, findet ein grosses Fest zur Winteraustreibung statt. Unter anderem werden solche vorbereiteten Holzscheiben an lange Stecken gesteckt, in einem grossen Feuer an der höchsten Stelle des Dorfes zum Glühen gebracht und durch die Luft geschleudert. Je mehr solcher Holzscheiben geschleudert werden, umso schneller vergeht der Winter. In der Tat beschleunigen die entstandenen Löcher in der Schneedecke das Ausapern der Felder. Jede Holzscheibe wird zudem einer Person gewidmet, deren Namen und ein Segenswunsch den Flug der glühenden Sonnen-Holzscheibe begleiten.